JVA Heinsberg - die Ausbildungsmöglichkeiten
Peter Dohmen/WHKT
Niclas, 20 Jahre, ist seit knapp zwei Jahren in der JVA Heinsberg und hat die Ausbildungsmöglichkeiten genutzt. Wenn er im Mai entlassen wird, wartet auf ihn schon ein Ausbildungsplatz.

News 12.01.2022Handwerk im Hafthaus

Kooperation mit Strafvollzug.

Von Peter Dohmen
Aachen/Heinsberg. Der Westdeutsche Handwerkskammertag und das Ministerium der Justiz NRW haben unter Beteiligung der Handwerkskammer Aachen und der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heinsberg ein Pilotprojekt initiiert, dessen Ziel unter anderem darin besteht, die berufliche Qualifizierung von straffälligen Jugendlichen für den Arbeitsmarkt besser sichtbar zu machen und die Jugendlichen bei ihrem Zugang zu Betrieben zu unterstützen. Zum Auftakt des Vorhabens konnten sich die Vertreter der Organisationen nun einen persönlichen Eindruck von den Ausbildungsverhältnissen in der JVA Heinsberg verschaffen.
Wenn man sich mit Auszubildenden unterhält, stehen ein geregeltes Leben, eine eigene Familie und ein gutes Beschäftigungsverhältnis vielfach ganz oben auf der Wunschliste. Nichts anderes erfährt man von den Inhaftierten, die in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg einsitzen und die Haftzeit verbüßen, die sie für ihre Straftaten bekommen haben.

Am Anfang ihres Lebens

Anders als in Vollzugsanstalten für Erwachsene sind in der JVA Heinsberg ausschließlich Straftäter im Alter von 14 bis 24 Jahren inhaftiert. Jugendliche, die gerade erst am Anfang ihres Lebens stehen und eigentlich zur Schule gehen oder eine Ausbildung absolvieren sollten.
Der Gesetzgeber ist sich bei jugendlichen Straftätern der Tatsache bewusst, dass diese sich noch in der Entwicklungsphase befinden. Im Unterschied zu den meisten Erwachsenen lassen sie sich auch durch äußere Faktoren häufig noch in ihrer Entwicklung beeinflussen. Deshalb achten die Gerichte auch darauf, gerade jugendlichen Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, während der Haftzeit intensive erzieherische Angebote zu ermöglichen.
„Diesen Erziehungs- und Entwicklungsauftrag nimmt auch die JVA Heinsberg sehr ernst“, betont Jochen Käbisch, Leiter der Vollzugsanstalt. „Unsere Anstalt bietet den Gefangenen umfassende sozialpädagogische, schulische und berufliche Möglichkeiten, die ihnen während ihrer Haftzeit zur Verfügung stehen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die jungen Menschen so weit zu bringen, dass sie nach ihrer Entlassung auf eigenen Beinen stehen können und möglichst nicht mehr straffällig werden.“

Duale Ausbildung in der JVA

Neben umfassender psychologischer Betreuung gibt es beispielsweise Trainings und Beratungen aus den Bereichen Suchtprävention, Anti-Gewalt, Bewerbungstrainings oder sozialpädagogische Angebote. Mehr als 50 Ausbilderinnen und Ausbilder kümmern sich um die berufliche Entwicklung der Jugendlichen während der Haftzeit. Am Anfang steht dabei die Berufsorientierung. Die Inhaftierten können in praktischen Erprobungen selbst entdecken, welches der zahlreichen Qualifizierungsangebote ihnen liegt.
Eine duale Ausbildung ermöglicht die JVA Heinsberg als Hochbaufacharbeiter, die um zwölf Monate erweitert werden kann, sodass der Gesellenbrief als Maurer erworben werden kann. Auch die Ausbildung zum Maler und Lackierer ist möglich. Im Fachbereich Metall werden Kräfte für Metalltechnik mit der Fachrichtung Montagetechnik und Industriemechaniker mit der Fachrichtung Maschinen- und Anlagenbauer ausgebildet. In den Ausbildungshallen und -werkstätten, die in der JVA „Betriebe“ heißen, stehen hierfür moderne Anlagen und Maschinen, professionelles Werkzeug und Fachkompetenz des Ausbildungspersonals zur Verfügung. Es gibt insgesamt 40 Ausbildungsplätze in der dualen Berufsausbildung der JVA Heinsberg.
Für den berufsschulischen Teil sind die Lehrkräfte des Berufskollegs Ernährung, Sozialwesen, Technik (EST) aus Geilenkirchen zuständig. Bereichsleiterin der Außenstelle in der JVA ist Marie-Claire DeGronckel, Lehrerin für Deutsch und Sonderpädagogik. „Unsere Fachlehrer vermitteln in den Unterrichtsräumen der JVA die Fachtheorie auf Grundlage der jeweiligen Ausbildungsordnungen. Sie arbeiten dabei in Kleingruppen von bis zu acht Inhaftierten. Dies ermöglicht natürlich eine wesentlich intensivere Vermittlung des Unterrichtsinhalts.“

 

Besuchsgruppe Handwerk-Justiz: (v.l.n.r.) Matthias Heidmeier (WHKT), Georg Stoffels (HWK Aachen), Jochen Käbisch (JVA Heinsberg), Susanne Verch (Justizministerium NRW), Abolfad Shahsavari, Felix Kendziora (HWK Aachen)
Die Ausbildungshalle für Straßenbauer in der JVA Heinsberg bietet gute Möglichkeiten, um Grundzüge des Berufs zu erlernen.
Der Fachbereich Fliesenleger in der JVA Heinsberg vermittelt Grundkenntnisse aus dem Beruf Fliesen-, Platten- und Mosaikleger.
Im Fachbereich Dachdecker werden in Teilqualifikationen erste Kenntnisse aus dem Dachdeckerberuf vermittelt. Dazu zählt sorgfältiges Löten wie auch die fachgerechte Montage von unterschiedlichen Dachbelägen.
Der Fachbereich Fliesenleger in der JVA Heinsberg vermittelt Grundkenntnisse aus dem Beruf Fliesen-, Platten- und Mosaikleger.
Die JVA Heinsberg bietet die duale Berufsausbildung zum Hochbaufacharbeiter sowie die daran anschließende Ausbildung zum Maurer an.
Die Grundbildung Metall und Kunststoff vermittelt den Inhaftierten erste Kenntnisse im Metall- und Kunststoffschweißen und weitere Verfahren für die Bearbeitung dieser Werkstoffe.
Die Grundbildung Metall und Kunststoff vermittelt den Inhaftierten erste Kenntnisse im Metall- und Kunststoffschweißen und weitere Verfahren für die Bearbeitung dieser Werkstoffe.
Die Grundbildung Metall und Kunststoff vermittelt den Inhaftierten erste Kenntnisse im Metall- und Kunststoffschweißen und weitere Verfahren für die Bearbeitung dieser Werkstoffe.
Im Unterrichtsraum erlernen die Auszubildenden in Kleingruppen die theoretischen Grundlagen für die duale Berufsausbildung zum Maler und Lackierer.
In der Metallwerkstatt der JVA Heinsberg werden u.a. Fachkräfte für Metalltechnik ausgebildet

Breites Fachwissen erwerben

Ihr Kollege Stefan Huuk ist Fachlehrer für Bautechnik und Holztechnik am Berufskolleg und unterrichtet ebenfalls in der JVA Heinsberg. „Die Gefangenen erwerben hier ein sehr breites theoretisches und praktisches Fachwissen, das zum Teil sogar über dem liegt, was sie in der gleichen Ausbildung draußen erwerben würden. Den praktischen Teil der Berufsausbildung in der JVA kann man sich durchaus wie eine überbetriebliche Lehrlingsunterweisung vorstellen, wie sie beispielsweise am Bildungszentrum in Simmerath angeboten wird. Doch anders als in Simmerath, sind unsere Jungs hier eben nicht nur ein paar Wochen in der Lehrlingsunterweisung, sondern ununterbrochen.“
Worin unterscheiden sich denn die Azubis aus der JVA von den Azubis, die ihre Ausbildung in einem Betrieb absolvieren? Huuk: „Was den Gefangenen in der Haftanstalt natürlich fehlt, ist der Alltag im Betrieb. Die Vollzugsbediensteten und wir Lehrkräfte geben ihnen während der Haftzeit in allem, was sie im Alltag tun, sehr klare Strukturen vor, die den Jugendlichen dabei helfen sollen, sich zurecht zu finden. Draußen ist das natürlich anders. Aus unserer Erfahrung heraus empfehlen wir daher Betrieben, die einen jungen ehemaligen Häftling einstellen möchten, auch weiterhin klare Strukturen anzubieten. Dies kann beispielsweise durch eine Art ‚Paten‘ gewährleistet werden, also einen festen Ansprechpartner im Betrieb.“
Anstaltsleiter Jochen Käbisch ergänzt: „Vielfach hören wir von Ängsten aus Betrieben, dass ehemalige Gefangene Ärger im Betrieb verursachen, vielleicht sogar gewalttätig werden. Die Gefangenen, die wir an Betriebe vermitteln, werden vorher von unseren Bediensteten aus vielfältigen Blickwinkeln im Haftalltag beobachtet. Ihr Sozialverhalten ist uns daher bestens bekannt und zudem bekommen sie, soweit erforderlich, psychologische Unterstützung während der Haftzeit. Bei den Gefangenen, die wir guten Gewissens an Betriebe vermitteln, schätzen wir das Gefährdungspotenzial nicht höher ein als bei allen anderen jungen Menschen aus der Altersgruppe.“
Einer von denen, die sich mit beruflicher Qualifizierung eine gute Ausgangsposition für die Zeit nach der Haft verschafft haben, ist Niclas, 20 Jahre alt und seit knapp zwei Jahren in der JVA Heinsberg. Ein sportlich-schlanker, freundlicher und gepflegter junger Mann, der sich gut und überlegt auszudrücken weiß. „Ich habe während meiner Inhaftierung sehr schnell angefangen zu arbeiten. Mir macht die Arbeit mit Metall sehr viel Freude. Eigentlich wollte ich Schlosser werden, der Beruf wird in der JVA aber leider nicht angeboten. Deshalb habe ich jetzt erstmal alle drei Schweißscheine absolviert, die die JVA anbietet. Im Moment spezialisiere ich mich auf WIG-Schweißen.“
Durch einen Beitrag im Lokalfernsehen über die JVA Heinsberg sei eine Firma aus dem Handwerkskammerbezirk Aachen für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik auf ihn aufmerksam geworden, berichtet Niclas. „Die haben bei der Anstaltsleitung angerufen und wollten mich sofort einstellen.“ Voraussichtlich im Mai wird Niclas entlassen, dann wartet auf ihn schon ein Praktikum im Betrieb. Doch noch mehr freut er sich auf Anfang August: „Dann geht auch gleich die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik los."

Entlassung in Sicht

Einen persönlichen Eindruck von den vielfältigen berufsbildenden Möglichkeiten, die die JVA Heinsberg bietet, haben sich jüngst der Arbeitnehmer-Vizepräsident der HWK Aachen, Felix Kendziora, der Geschäftsführer Berufsbildung der HWK Aachen, Georg Stoffels, Susanne Verch vom Ministerium der Justiz NRW und WHKT-Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeier verschaffen können.
„Die jungen Menschen in der JVA Heinsberg haben eine zweite Chance verdient. Wir haben nicht nur als Handwerkskammer, sondern auch als Gesellschaft die Verantwortung, sie bei ihrem Weg zurück in ein normales Leben zu unterstützen“, erklärt Felix Kendziora. Georg Stoffels ergänzt: „Die JVA bietet ausgezeichnete Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten in vielen unterschiedlichen Berufen. Davon können auch unsere Handwerksbetriebe profitieren. Daher möchten wir sie gerne dazu ermutigen, sich selbst ein Bild zu machen, ihre möglichen zukünftigen Beschäftigten und die Ausbildungseinrichtungen hier vor Ort in der Haftanstalt kennenzulernen und mit uns über Wege zu sprechen, wie künftige Beschäftigungsverhältnisse mit Entlassenen angebahnt werden können.“
WHKT-Hauptgeschäftsführer Matthias Heidmeier: „Mit der Initiative ‚Handwerk im Hafthaus‘ verfolgen wir gemeinsam mit dem Justizministerium und den NRW-Handwerkskammern das Ziel, Ansätze auszuarbeiten, die den Inhaftierten in nordrhein-westfälschen Haftanstalten den Weg zurück in die Gesellschaft ermöglichen. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch dadurch einen kleinen Beitrag dazu leisten können, Fachkräfte für unsere Handwerksbetriebe zu gewinnen und zugleich unserer sozialen Verantwortung gegenüber den Menschen nachkommen, die am Rand unserer Gesellschaft leben.“
Und was wünscht sich der Gefangene Niclas am meisten für seine Zukunft? „Meine wichtigsten Ziele: ich möchte meine Ausbildung abschließen, eine Wohnung haben und ein eigenes Auto fahren. In der Freizeit Sport treiben, am liebsten Kampfsport. Mit der Gründung einer Familie lasse ich mir Zeit, bis ich mein Leben wieder richtig im Griff habe. Ich bin sehr dankbar für die Chance, die ich hier bekomme.“

Für weitere Informationen wenden Sie sich an:

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Georg Stoffels

Hauptgeschäftsführer

Tel. +49 241 471-114

Fax +49 241 471-103

georg.stoffels--at--hwk-aachen.de

Neben den beschriebenen dualen Ausbildungen bietet die JVA Heinsberg ihren Gefangenen Teilqualifizierungen für Bodenleger, Dachdecker, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Fachlageristen, Garten- und Landschaftsbauer, Straßenbauer, in der Hauswirtschaft, als Gebäudereiniger, Küchenhelfer, Tischler, Schweißer oder Gabelstaplerfahrer sowie Grundbildungen in den Bereichen Mechanik/Technik (Kfz) und Metall/Kunststoff an. In diesen Bereichen stehen den Gefangenen in Heinsberg insgesamt 196 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Betriebe, die an einem Praktikums-, Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis für ehemalige Gefangene oder an einem persönlichen Besuch in der JVA Heinsberg interessiert sind, bieten wir weitere Informationen an.