News vom 07.11.2023Modische Raubzüge
Sind Pelze, Federn und Leder noch zeitgemäß?
Euskirchen. Vom modischen Luxus, der Lust an Exotischem und dem Leid von Tieren, die dafür herhalten müssen, handelt die Ausstellung „Modische Raubzüge“ in Euskirchen. Noch bis zum 7. Januar 2024 widmet sich das LVR- Industriemuseum in der Tuchfabrik Müller diesem Thema anhand von 250 Objekten, darunter 25 Tiervollpräparate.
Bereits in der Steinzeit bekleideten sich die Menschen mit Fellen und der (Leder-)Haut erbeuteter Tiere. Die Ausstellung beschränkt sich auf die Zeit von 1800 bis heute und zeigt, mit wieviel Fantasie und kunsthandwerklichem Geschick alle Tierarten schon immer für die Mode genutzt und zu faszinierend schönen Kleidungsstücken verarbeitet wurden. Diese schützten, wärmten und schmückten gleichermaßen. Als Kehrseite dieses Konsumbedürfnisses wird der Tod der Lieferanten des begehrten Materials in Kauf genommen. Es fällt angesichts des Ausstellungskonzepts leicht, sich auf die Seite der ausgebeuteten Kreaturen zu stellen. Und das Nachdenken über den eigenen Kleidungskonsum sei auch gewollt, erklärt Museumsleiter Dr. Dennis Niewerth.
Mit ganz anderen Augen schauen Olaf und Christiane Neuwirth auf die Ausstellung. Sie bedauern, dass darin der verantwortungsvolle Umgang mit Pelz zu kurz kommt. Die Darstellung sei eindimensional, das Thema Nachhaltigkeit werde ausgeklammert, sagt Olaf Neuwirth. Der Aachener Kürschnermeister findet zwar die Aufklärung über Sinn und Unsinn exotischer Felle, die keine wärmende Funktion erfüllen, wichtig. Aber es sei nicht korrekt, das Bedürfnis nach Luxus ablehnend zu betrachten.
Pelz ist kein Massenprodukt. Deshalb nimmt die Zahl der Kürschnereien stetig ab. Neuwirths hatten in den 28 Jahren ihrer Selbstständigkeit lediglich zwei Auszubildende – immerhin eine von ihnen PLW-Bundessiegerin. An eine Nachfolge für ihr Geschäft sei erst recht nicht zu denken.
Aber so weit ist es bei ihnen noch nicht. Man merkt dem Ehepaar die Freude an ihrer Arbeit an. Christiane Neuwirth liebt es, Ratsuchende auf Ideen zu bringen, was man aus ihren alten oder geerbten Pelzen machen kann. In jedem Arbeitsschritt sei Kreativität gefragt, ergänzt ihr Mann: „Für uns ist es wichtig, so viel wie möglich über die Herkunft des Materials zu erfahren, das wir verarbeiten. Mit chinesischem Finnraccoon (Marderhund) handele ich grundsätzlich nicht.“
Dessen tierquälerische Züchtung wird auch in der LVR-Ausstellung an den Pranger gestellt. Zu kurz nach Empfinden der Neuwirths kommen aber zum Beispiel Hinweise darauf, wie viele Füchse hierzulande zum Abschuss freigegeben und vernichtet werden, anstatt das Fell sinnvoll in der Bekleidungsherstellung einzusetzen. Dieser Diskussion, so Neuwirth, stelle er sich gerne. Auch das sei eine wichtige Aufgabe seines Berufs. Es ist die gleiche Aufgabe, die sich der LVR mit seiner Ausstellung stellt: „Unser Verhältnis zu den Tieren steht auf dem Prüfstand – nicht nur wegen unseres ungehemmten Raubbaus an der Natur und der ethischen Frage ‚Was darf der Mensch‘“.
LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller
Carl-Koenen-Str. 25b
53881 Euskirchen
Bis 7. Januar 2024
https://t.ly/AhtOQ