Austausch über das, was das Handwerk in Zukunft braucht (v.r.n.l.): Dachdeckermeisterin Martina Schmitz, Kammerpräsident Marco Herwartz, Moderator Christian Mourad, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Felix Kendziora, Arbeitnehmer-Vizepräsident der Handwerkskammer Aachen.
Handwerkskammer Aachen - Doris Schlachter
Austausch über das, was das Handwerk in Zukunft braucht (v.r.n.l.): Dachdeckermeisterin Martina Schmitz, Kammerpräsident Marco Herwartz, Moderator Christian Mourad, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Felix Kendziora, Arbeitnehmer-Vizepräsident der Handwerkskammer Aachen.

News vom 12.06.2024Ministerin trifft die „Macher des Fortschritts“

Mona Neubaur verspricht bei HWK-Vollversammlung Unterstützung.

Aachen. Mona Neubaur ist NRW-Wirtschaftsministerin und in der Talkrunde bei der Vollversammlung der Handwerkskammer (HWK) Aachen die prominenteste Vertreterin. Die grüne Politikerin weiß, wie Handwerk riecht und klingt, ihr Vater war Kunstschmiedemeister. Sehr gerne ist sie der Einladung ins Rathaus der Kaiserstadt Aachen gefolgt. Auf der Bühne des Krönungssaals sagt sie deutlich, aber zuversichtlich, worauf es in den nächsten Jahren ankommt. Für sie ist klar: Das Handwerk spielt dabei eine wichtige Rolle.

Für Marco Herwartz, den Präsidenten der Handwerkskammer Aachen, liegt der Schlüssel in der Qualifikation neuer Fachkräfte. „Unsere Bildungszentren sind die Universitäten des Handwerks“, stellt er heraus. „Wir brauchen mehr Meister und weniger Bürokratie“, fordert der Präsident und ruft alle Mitstreiter dazu auf, Werbung für Handwerksberufe zu machen, damit endlich wieder „in die Köpfe der Gesellschaft“ komme, wie wichtig dieser Wirtschaftszweig für das tägliche Leben sei und wie erfüllend die Arbeit darin sein könne.

Stau beim BAföG
Der Präsident spart nicht mit Kritik. So dauere es zum Beispiel viel zu lange, bis ein Antragsteller beim Aufstiegs-BAföG eine Zusage und dann auch sein Geld erhalte. Darüber hinaus brauche es weitere Anreize für junge Menschen, eine duale Ausbildung anzufangen und sich später stetig weiterzubilden. „Trotz der drohenden Haushaltskrise darf bei der beruflichen Bildung nicht der Rotstift angesetzt werden“, sagt Herwartz. „Denn sonst gerät das weltweit seit Jahrzehnten hoch angesehene System der dualen Ausbildung ernsthaft in Gefahr, und die Klimawende wird ohne hoch qualifizierten Handwerksnachwuchs nie richtig Fahrt aufnehmen.“ So seien Investitionen in die Ausstattung der Bildungsstätten des Handwerks dringend notwendig, allein im Kammerbezirk Aachen gehe man von einem Bedarf von 120 Millionen Euro aus.

In die Kindergärten
„Wir müssen schon in den Kindergärten anfangen, Handwerksberufe vorzustellen, sagt Dachdeckermeisterin Martina Schmitz, die in Gangelt als Geschäftsführerin die MAJO Schmitz Bedachungen GmbH leitet und ebenfalls in der Talkrunde von Moderator Christian Mourad befragt wird. Darüber hinaus sei es wichtig, Menschen, die nach Deutschland kämen, berufliche Chancen zu eröffnen. Leider seien mangelnde Sprachkenntnisse häufig eine große Hürde, die erst einmal überwunden werden müsse. Hier müsse der Hebel stärker angesetzt werden, damit Integration funktioniere.

„Gezielte Zuwanderung ist wichtig“, unterstreicht Mona Neubaur und berichtet, dass die NRW-Landesregierung bestrebt sei, Kontakte mit dem Ausland auszubauen, um Zuwanderung besser vorzubereiten und somit zu erleichtern. Mit der Vermittlungsoffensive würden zudem verstärkt Menschen erreicht, denen der Weg in eine Ausbildung schwerfalle. Alle Beteiligten seien gefordert, diese und vor allem Geflüchtete direkter anzusprechen und für eine Karriere in einem Ausbildungsberuf zu begeistern.

Eine neue Chance geben, das ist auch das Ziel der Initiative „Handwerk im Hafthaus“ der NRW-Kammern und des Westdeutschen Handwerkskammertags. Felix Kendziora, Arbeitnehmer-Vizepräsident der HWK Aachen, berichtet von den guten Erfahrungen mit jungen Inhaftierten in der Justizvollzugsanstalt Heinsberg, die sich dort auf eine berufliche Laufbahn vorbereiten oder sogar einen Berufsabschluss erwerben.

Frauen besser fördern
Ein wichtiger Aspekt bei der Nutzung aller vorhandenen Arbeitsmarktpotenziale ist die bessere Förderung von selbstständigen Frauen. „Wir können es uns als Gesellschaft und Handwerk nicht länger leisten, dass angehende Gründerinnen und Betriebsnachfolgerinnen vor der Entscheidung stehen, ob sie ihre Familienplanung zugunsten ihres Betriebs zurückstellen oder umgekehrt“, sagt Herwartz. Denn bislang müssten weibliche Selbstständige im Vergleich zu Arbeitnehmerinnen in aller Regel deutliche Abstriche im Hinblick auf soziale Leistungen wie das Mutterschaftsgeld und das Elterngeld hinnehmen. Das sei sicherlich auch ein Grund dafür, warum aktuell lediglich 22 Prozent der Handwerksbetriebe in Nordrhein-Westfalen von Frauen geführt werden. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur verspricht, sich für die Verbesserung der Förderung stark zu machen und unterstreicht damit ihre eigene Vorgabe, die auch für viele andere Anliegen des Handwerks gelten soll: „Ich will eine Ministerin des Möglichmachens sein.“

Die Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen, Sibylle Keupen, bezeichnete Handwerker in ihrem Grußwort als „Macher des Fortschritts“. „Ohne Sie geht gar nichts“, sagte sie und betonte, dass Handwerk überall zu Hause sei. In dieser Zeit der Transformation und schnellen Veränderung leiste das Handwerk einen engagierten und nicht wegzudenkenden Beitrag, vor allem im Bereich der wichtigen Themen Energiewende und Klimaneutralität. Junge Menschen rief sie dazu auf, sich über eine Ausbildung im Handwerk zu informieren und diese dann auch anzugehen. „Auf euch kommt es an“, unterstrich sie. Die Stadt Aachen wolle die Rahmenbedingungen verbessern und arbeite beispielsweise an der Errichtung eines Azubi-Wohnheims.