News vom 06.06.2023Bremse für Sozialabgaben
Beim ZDH-Unternehmerforum forderte Präsident Jörg Dittrich verlässliche und nachhaltige Rahmenbedingungen bei den Sozialversicherungen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu erhalten.
Berlin. Die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland grundlegend zu reformieren und sie dadurch zukunftsfest und generationengerecht zu machen: Diese eindringliche Aufforderung hat Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), jüngst in Berlin beim ZDH-Unternehmerforum zum Thema „Wie gelingt Generationengerechtigkeit in unseren Sozialsystemen“ an die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger gerichtet.
„Die Finanzierungsprobleme und der Reformbedarf sind offensichtlich angesichts klaffender Milliardenlöcher in der Kranken- und Pflegeversicherung und von Rücklagen, die in der Arbeitslosenversicherung bereits jetzt und in der Rentenversicherung bald aufgezehrt sind. Aktuell jedenfalls sind die sozialen Sicherungssysteme weder zukunftsfest noch generationengerecht aufgestellt“, betonte Dittrich in seiner Eröffnungsrede.
In den umlagefinanzierten Sozialversicherungen ticke eine Zeitbombe – mit Blick auf die alternde Bevölkerung, steigende Pflegekosten und weitere medizinische Fortschritte bei gleichzeitig immer größeren Fachkräftelücken auf dem Arbeitsmarkt. Die steigende Beitragslast beeinträchtige gerade lohnintensive Bereiche wie das Handwerk, weil sie den Betrieben wie ihren Beschäftigten finanzielle Spielräume nehme. Für die standorttreuen Handwerksbetriebe bedeute das einen Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit, gerade auch gegenüber neuer weltweiter Digitalkonkurrenz.
2023 habe der Gesamtsozialversicherungsbeitrag die 40-Prozent-Marke und damit die Schmerzgrenze für das Handwerk überschritten. Vor diesem Hintergrund sprach sich der ZDH-Präsident dafür aus, „das Prinzip der Generationengerechtigkeit und eine ‚Sozialabgabenbremse‘ im Grundgesetz zu verankern. Denn nur dauerhafte Beitragsstabilität sichert die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, ermöglicht ihren Beschäftigten ein auskömmliches Einkommen mit mehr Netto vom Brutto, reduziert Schwarzarbeit, schafft Impulse für mehr Beschäftigung und trägt zur Generationengerechtigkeit bei“.
„Angesichts einer wachsenden digitalen Wertschöpfung in der Wirtschaft sollten wir es auch nicht hinnehmen, dass das Handwerk als beschäftigungsintensiver Bereich einen überproportionalen Beitrag zur Finanzierung der Sozialsysteme leistet. Es stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, wie wir künftig die sozialen Sicherungssysteme finanzieren und wie diese Lasten fair verteilt werden“, erläuterte er.
Welche Reformerfordernisse aus ihrer Sicht bestehen, schilderten anschließend der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Rolf Schmachtenberg, und der Präsident des Bundessozialgerichts, Prof. Dr. Rainer Schlegel. In einer Podiumsdiskussion tauschten sich danach die stellvertretende Vorsitzende der Handwerksjunioren, Sara Hofmann, das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Stefan Körzell, und der stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands, Dr. Carsten Linnemann, darüber aus, wie der Sozialstaat künftig ausgestaltet und finanziert werden sollte, und welche Auswirkungen das auf Handwerk und Mittelstand hätte.
Zum Abschluss der Veranstaltung betonte Dittrich, dass für ihn der sparsame Umgang mit den Mitteln in den Sozialversicherungszweigen zur Generationengerechtigkeit gehöre. Unnötige Leistungsausweitungen in den Sozialsystemen zu Lasten der Beitragszahler müssten ebenso unterbleiben wie „Leistungen auf Pump“. Konsequent müssten künftig Wirtschaftlichkeitsreserven in den Sozialversicherungen erschlossen werden. Bei einer zunehmenden Lebenserwartung und längeren Rentenbezugsdauer darf es nach Auffassung des ZDH-Präsidenten „keine Denkverbote“ geben, wenn verhindert werden soll, dass die Rentenbeiträge explodieren. So könne die weitere Anhebung des Renteneintrittsalters kein Tabu sein wie auch die Prüfung etwaiger höherer Abschläge oder Zuschläge bei vorzeitigem beziehungsweise späterem Renteneintritt. Die „abschlagsfreie Rente mit 63“ sollte auch wegen des Fachkräftemangels abgeschafft werden.
Wegen der vielen (Solo-)Selbstständigen im Handwerk ohne ausreichende soziale Absicherung sprach sich Dittrich für die Einführung einer Altersvorsorgepflicht für Selbstständige mit Wahlrecht hinsichtlich des Durchführungsweges aus. „Eine allgemeine Altersvorsorgepflicht kann Altersarmut verhindern und vermeidet überdies, dass im Zweifelsfall der Beitrags- oder Steuerzahler dafür aufkommen muss. Auch kann sie bestehende Fehlanreize reduzieren, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung durch Formen von Solo-Selbstständigkeit zu ersetzen. Das sorgt für faire Marktbedingungen und reduziert Wettbewerbsverzerrungen etwa im Bau- und Ausbausektor“, erläuterte der Handwerkspräsident seine Forderung nach einer Altersvorsorgepflicht für Selbstständige.